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50 Jahre italienische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Weeze
Mitteilung vom 17.08.2011 (archivierte Mitteilung)
50 Jahre italienische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Weeze
Im Rahmen einer Festsitzung des Rates der Gemeinde Weeze am 16.08.2011 in der Alten Schmiede wurde das Zusammenleben der Italiener mit ihren Weezer Mitbürgerinnen und Mitbürgern gewürdigt und gefeiert.
In seiner Festrede führe Bürgermeister Francken u.a. aus:
„Vor 50 Jahren unterzeichneten Italien und Deutschland den Vertrag, der die ersten italienischen „Gastarbeiter“ nach Deutschland brachte. Den Menschen, die damals aus wirtschaftlicher Not ihrer Heimat den Rücken kehrten, verdanken wir heute nicht nur Pizza, Pasta, Espresso oder ein leckeres Eis aus der Eisdiele.
Für viele Italienerinnen und Italiener, die nach Deutschland kamen, war es anfangs eher alles andere, als eine fröhliche Veranstaltung. Zumal in den Anfangsjahren waren die Arbeitsbedingungen äußerst hart, die Lebensbedingungen zum Teil nicht rosig. Die Italiener waren die ersten offiziellen, sogenannten „Gastarbeiter“ und mussten für diese Pionierrolle wohl auch Tribut zollen. Denn ihre Gastgeber waren teilweise auf die Situation noch weniger vorbereitet, als sie selbst. Der berühmte Satz „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“ beschreibt ja nicht erst die Erfahrung, dass ein Teil der Gastarbeiter später bleiben wollte. Schon von Anfang an waren es nicht nur in Weeze praktische Probleme der zugereisten Menschen, die es zu lösen galt.
Ersten Italiener in Weeze
Vereinzelt hielten sich auch bereits im Jahre 1956 italienische Gastarbeiter in Weeze auf, um als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft auszuhelfen.
Später wurden viele Gastarbeiter von den Arbeitsämtern oder von den Betrieben angeworben, darunter auch viele Italiener. So, wie viele andere Städte, hatte auch Weeze noch freie Arbeitsplätze in der Holzbranche, bei den Gege-Werken, Möbel- Sperrholz und Furnierfabriken zu vergeben. Über das Arbeitsamt Krefeld wurden ab 1961 mehrere hundert Arbeitskräfte angefordert, die in drei Gruppen in den Jahren 1961, 1962 und 1972 in Weeze ankamen. Sie stammten aus den Regionen Apulien, Kalabrien und Sizilien.
Das Leben in Weeze mit verschiedenen Problemen
Die später nachgekommenen Familien warfen neue Probleme auf. Die mitgebrachten Kinder waren schulpflichtig. Es wurde eine Gastarbeiterklasse eingerichtet. Doch keiner war auf den Ansturm vorbereitet. Das italienische Konsulat in Köln schaffte dann Abhilfe, indem es einen italienischen Lehrer nach Weeze abordnete. Es war Giovanni Giglio, der im April 1969 nach Weeze kam. Im Herbst 1971 waren 60 italienische Kinder zu unterrichten, zu viele für einen Lehrer. Es wurde eine 2. Klasse eingerichtet. Zuständiger Lehrer wurde Aldo di Giulio.
Lehrer Giovanni Giglio kümmerte sich in seiner Freizeit aber auch um die verschiedensten Sorgen und Probleme seiner italienischen Mitbürgerinnen und 10 Jahre nach der Ankunft der ersten Italiener, im Jahre 1972, richtete der Diözesan-Caritasverband einen Sozialdienst mit festgesetzten Sprechstunden in Weeze ein.
Ansprechpartner für die Italiener war neben Don Frara die Sozialarbeiterin Josefine Terhorst. Viele wandten sich auch an Frau Annemie Peters-Liesting, oder an die Helferinnen der Kleider- Möbelkammer der Orts-Caritas, die bei vielen sozialen Problemen helfend zur Seite standen.
Giovanni Giglio war von 1969 bis zur Auflösung der italienischen Klassen im Jahre 1979 in der Gemeinde Weeze als Italienischlehrer tätig. Gemeinsam mit Vincenzo Sacco, der ab 1973 mehrere Jahre als Lehrer in Weeze unterrichtete, widmeten sich beide abends auch den Erwachsenen, damit die ihre verpassten Schulabschlüsse nachholen konnten.
Am 2. Dezember 1975 gab es einen großen Einschnitt – für Weeze, seine Bürger und auch für die italienischen Gastarbeiter. Die Gege-Werke gingen in Konkurs, mehrere 100 Arbeitsplätze fielen weg.Viele Familien gingen zurück nach Italien oder fanden Arbeit in Nachbarorten, andere machten sich in Weeze selbständig.
Gründung des “Circolo Italiano Amicizia”
Ein wichtiges Datum war der 19. Januar 1980. An diesem Tag gründeten die Italiener mit Enzo Sacco den Verein „Circolo Italiano Amicizia“. Der Circolo setzte sich zum Ziel, italienischen Familien das Einleben in die neue Umgebung zu erleichtern und Kontakte zu den Deutschen zu knüpfen. Außerdem wollte man Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe vermitteln, sowie die eigene Kultur pflegen. Als Kommunikationszentrum diente das katholische Pfarrheim. Man wünschte sich ein italienisches Zentrum, in das man auch die deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger einladen konnte.
Der erste engere Vorstand des Vereins setzte sich zusammen aus Enzo Sacco als Vorsitzenden und Antonio Ramirez als stellvertretenden Vorsitzenden.
Weitere wichtige Vorstandsmitglieder waren: Luigi Albaceli, Francesco Manca, Giuseppe Albaceli und Franco Piconese.
Tatkräftig unterstützt wurde die Vereinsarbeit durch die Ehefrauen der Vorstandsmitglieder bzw. durch deren Partnerinnen. Besonders hervorzuheben sind Laura Albaceli, Brunhilde Piconese, Pia Janssen, Ingrid Crook, Christel Girardi und Paula Paterno.
Es entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung insbesondere mit Gemeindedirektor Karl Gödde (bis 1981) und den Nachfolgern im Amt, sowie mit der Kirchengemeinde, der italienischen Mission und dem Caritasverband.
Kirmes 1992 festgebender Verein
Aufgrund der guten freundschaftlichen Verbindungen bestimmte der Heimat- und Verkehrsverein den Verein „Circolo Italiano Amicizia“ zum festgebenden Verein der Kirmes 1992. Festkettenträger wurde Vincenzo Sacco mit seiner Ehefrau Marita und Adjutantin Pia Janssen mit ihrem Ehemann Matthias. Sie waren es, die sich besondere Verdienste um die italienisch-deutsche Verständigung erworben hatten.
Die Mitwirkung im politischen und kulturellen Geschehen verbesserte sich im Jahre 1985 auch durch die Berufung von Laura Albaceli und Enzo Sacco im Ausschuss für Kultur, Jugend- und Erwachsenenbildung. Im Pfarrgemeinderat tätig waren stellvertretend für die Gruppe der Italiener Laura und Luigi Albaceli. Luigi Albaceli war jahrelang Mitglied des Gemeindejugendrings, viele Jahre deren Vorsitzender und aktives Mitglied bei der Kinderprinzenkür.
Am 22.12.1986 fand auf Empfehlung des Kulturausschusses unter dem Vorsitz von Frau Roswitha Kotters und auf Beschluss des Rates eine Feierstunde im Sitzungssaal des Rathauses statt, bei der die hier lebenden Italiener, die vor 25 Jahren in unsere Gemeinde gekommen waren, geehrt wurden.
Aus der ersten Generation, wohnen inzwischen nur noch wenige Italiener in Weeze. Einige von ihnen leben heute bereits in der zweiten und dritten Generation hier bzw. in den Nachbarorten. Dass die Weezer seit eh und je einvernehmlich mit Ausländern zusammen leben können, zeigte sich nicht nur im Umgang mit den italienischen Landsleuten sondern auch beim jahrelangen guten Miteinander mit den britischen Familien der RAF Laarbruch“.
Enzo Sacco, der in den 70ern in Weeze als Italienischlehrer tätig war, bedankte sich für die freundlichen Worte des Bürgermeisters und beschrieb drei lustige Begebenheiten, die intalienische Mitbürger kurz nach ihrer Ankunft in Weeze erlebten und sich teilweise aus den Sprachproblemen ergeben hatten. Zum Abschluss seiner Rede unterstrich er die gute Integration, die seine Landsleute in all den Jahren erfahren haben.
Ehrung der Italiener, die heute noch hier leben.
Anschließend ehrte Bürgermeister Francken die italienischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die auch heute, nach 50 Jahren Weeze treu geblieben sind und mit ihren Angehörigen bei der Feierstunde dabei waren.
Dazu gehörten Antonio Blandamuro sowie Angehörige der Familien Albaceli und de Lorenzo. Bei dieser Gelegenheit erwähnte er auch Franco Mari, der ebenfalls im Dezember 1961 nach Weeze kam und Arbeit bei der RAF-Laarbruch fand. Er, als auch seine Ehefrau Beate, die in Weeze künstlerisch tätig war, sind leider schon verstorben. Auf seinem Grab und auf dem Grab des verstorbenen Giuseppe Albaceli wurden nach der Feierstunde Blumensträuße niedergelegt.
Ein allseits bekannter Vertreter der italienischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist auch Pasquale Baratto mit seiner Familie, der seit 1962 rund 15 Jahre lang hervorragende Eisprodukte in seiner Eisdiele an der Wasserstraße anbot. Die Eisdiele wurde anfangs zum Treffpunkt der Weezer und italienischen Jugendlichen, die sich dort beim Kicker- und Flipperspiel trafen und Freundschaften schlossen. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die Familien Antonio Sinatra, Giuseppe Rapisarda, Mario Attanasio und Filippo Girardi, die im Jahre 1962 nach Weeze kamen und sich mehrfach für die deutsch-italienische Verständigung eingesetzt haben.
Zum Ende der Ehrung stellte Bürgermeister Francken fest, dass aus kultureller Neugier und Bereicherung – Toleranz und Verständigung – deutsch-italienische Freundschaft – auch in Weeze – das Band bestehe, das unsere Kulturgesellschaften zusammenhält.
Es sind Themen, die zeitlos sind und losgelöst von politischen und wirtschaftlichen Schwankungen. Und es sind Themen, die auf einen ganz zentralen und bedeutsamen Punkt hinauslaufen: Auf die gemeinsame Orientierung an den Grenzwerten unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaften. Gerade in den letzten Monaten ist uns bezogen auf Nordafrika verdeutlicht worden, dass Freiheit, Friede und Verständigung das kostbarste Gut für Menschen und für Völker darstellt.
Nach der Feierstunde saß man noch einige Stunden bei einem Imbiss und Getränken zusammen und erinnerte sich an Begebenheiten aus den vergangenen Jahrzehnten. Das Büfett war von den Rheinischen Landfrauen Weeze - Wemb liebevoll mit italienischen Spezialitäten hergerichtet worden.