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Besondere Siedlungsfunde am Unteren Niederrhein

Mitteilung vom 09.11.2020 (archivierte Mitteilung)

Die hölzernen Reste des Brunnens haben sich im feuchten Boden wunderbar erhalten. Foto: Marcel Zanjani/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Nach 22 Jahren sind die hauptsächlich vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), aber auch von Grabungsfirmen durchgeführten archäologischen Untersuchungen in der Abgrabung Weeze-Vorselaer im Kreis Kleve nun abgeschlossen. In dieser Zeit haben die vor Ort tätigen Archäologinnen und Archäologen für den Niederrhein wichtige Erkenntnisse gewonnen und spannende Befunde und Funde zutage gefördert. Sie fanden Siedlungen aus der Bronzezeit bis in die Zeit der Römer und damit auch interessante Hinweise auf die Lebensweise der damaligen Bewohnerinnen und Bewohner.

Insgesamt fünf Siedlungsplätze aus der Bronzezeit (2150-800 v. Chr.) und der Eisenzeit (800 v. Chr. bis um Chr. Geburt) sowie vor allem aus der römischen Epoche vom 1. Jahrhundert bis ca. 250 n. Chr. wurden in Vorselaer entdeckt. „Bis dahin war am gesamten Unteren Niederrhein keine ländliche Siedlung der Römerzeit ausgegraben worden. Nun konnte man erstmals nachweisen, wie die einheimische Bevölkerung lebte", erklärt Dr. Julia Obladen-Kauder, Leiterin der Außenstelle Xanten vom LVR-Amt für Bodendenkmalflege im Rheinland (LVR-ABR), die für die Grabungen in Vorselaer verantwortlich ist.

Der hölzerne Brunnen ist einer der letzten Befunde, die vor dem endgültigen Ende der Ausgrabungen noch zum Vorschein gekommen sind. Foto: Marcel Zanjani/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Besonders spannend ist, dass jüngst bei den Grabungen ein bronzener Beschlag eines römischen Militärgürtels aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. gefunden wurde. Vergleichbare Stücke finden sich am Hadrianswall in Großbritannien und entlang des gesamten Limes an Rhein und Donau. Möglicherweise hat sich ein Veteran der römischen Truppen nach seiner Dienstzeit in der Siedlung beim heutigen Vorselaer niedergelassen. Gefunden wurde das Zierobjekt in einer Grube zwischen zwei Häusern. Unklar muss bleiben, ob der Beschlag versehentlich verloren ging oder ob er absichtlich entsorgt wurde.

Anders als in den neu gegründeten Städten der Römer wohnte man in den zeitgleichen Siedlungen nicht in Häusern nach römischer Bauweise, sondern in Häusern, die in eisenzeitlicher Tradition errichtet waren: aus Holz und Lehm sowie mit dem Vieh unter einem Dach. Auch an der Ernährung änderte sich nichts zur vorangegangenen Eisenzeit. „Durch die Untersuchung von verkohlten Pflanzenresten wissen wir, dass auf dem Speiseplan zuoberst die Getreidesorten Gerste und Hirse standen", erläutert Grabungsleiterin Dr. Marion Brüggler, von der Außenstelle Xanten des LVR-ABR. „Obst und Gartenkräuter waren nicht gefragt." Gleichwohl war römische Sachkultur nicht unbekannt: Das Geschirr zum Kochen und Essen stammt aus Töpfereien der umliegenden römischen Städte, teils sogar vom Mittelrhein.

Der bronzene Gürtelbeschlag in der Hand von Grabungsleiterin Dr. Marion Brüggler gibt einen Hinweis darauf, dass hier einst ein Veteran des römischen Militärs lebte. Foto: Marcel Zanjani/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Im Jahr 2018 legten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LVR-ABR ein römisches Gräberfeld mit knapp 150 Bestattungen frei. In den Gräbern fanden sich mehrere teils vollständig erhaltenen Keramikgefäße und einige Gewandspangen. Das Gräberfeld lag etwa 300 Meter westlich der entdeckten Siedlungen und datiert vom 1. bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Hier haben also die Bewohnerinnen und Bewohner der römischen Siedlungen ihre Angehörigen begraben.

Seit Juli 2020 wird nun der letzte Siedlungsplatz untersucht. Ganz im Süden der Abgrabungsfläche gelegen, gelang die Entdeckung einiger Hausgrundrisse sowie zwei Brunnen der Römerzeit. Dort wurde auch der römische Gürtelbeschlag gefunden.

Die runden Spuren in einer Reihe zeigen, wo sich einst die Wand eines Hauses befand: In den Löchern standen die hölzernen Pfosten, der in eisenzeitlicher Tradition errichteten Bauten. Foto: Melanie Rölke/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Insbesondere für die römische Zeit zeigt sich die Region um Vorselaer und das benachbarte Grotendonk nun als verhältnismäßig dicht besiedelt: Mehrere Einzelhöfe und zwei Gräberfelder zeugen davon. Die Region ist günstig für die Gründung von Siedlungen. Auf den sog. Donken (flache Erhöhungen in sumpfigem Gelände), konnte man Wohnen und Ackerbau betreiben sowie Vieh in den nahe gelegenen Auen weiden.

Da nun die gesamte für den Kiesabbau vorgesehene Fläche untersucht wurde, enden die seit 1998 laufenden Maßnahmen.

Die archäologischen Maßnahmen wurden größtenteils von der GMG, die seit 2015 zum Hülskens Unternehmensverband gehört, finanziert und denen für die gute Kooperation gedankt wird. Dank gilt auch dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bereitstellung von Mitteln im Denkmalförderprogramm.